Freitag, 23. November 2007

Kapitel 2: Die neue Ärztin

Die neue Ärztin

Die Woche begann völlig normal mit der üblichen Routine. Doch es lag etwas Unbestimmtes in der Luft. Es knisterte im Kollegium der Ärzte, die sich zur allmontaglichen "Großen Runde" im Besprechungsraum, neben der Bibliothek, versammelt hatten. Ausführlicher Bericht der Diensthabenden vom Wochenende. Das kostete immer Zeit, vor allem in der jetzigen Urlaubssaison, denn die Klinik lag an einer vielbefahrenen Autobahn - Nord-Süd-Achse Europa. Die Unfälle nahmen zu, der Verkehr verlegte auf die Strasse. Der Transportkosten wegen. Billiger, schneller, effizienter. Die neue Zeit eben.
Natürlich nahm die Zahl der Unfälle parallel hierzu ebenfalls deutlich zu und damit auch die Zahl der Schwerverletzten. Die Bergklinik war eine Negativmatrize des real exisitierenden Wirtschaftsgefüges und alle wussten das.

Sie wussten auch etwas anderes, auch wenn niemand darüber sprach. Die "Neue" war im Anmarsch. Blendende Zeugnisse sollte sie haben, stand wohl kurz vor der Facharztanerkennung zur Internistin. Der Chef zumindest schien von ihr angetan. Er war als konservativ und ausgleichend bekannt. Bisher hatte er die freien Stellen ausschliesslich an Männer vergeben. Doch heute klag das ungewohnt anders. So kannten sie ihn noch nicht. Gewiss, Sie brauchten eine gute Internistin. Der Vorgänger war in Rente gegangen und vor seiner Pensionierung neun lange Monate krank. Es war ein guter, verlässlicher und gewissenhafter Kollege gewesen, der sich redlich abmühte, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Oft gelang ihm das sogar. Doch der Ärztemangel nahm mittlerweile erschreckende Ausmasse an. Die Stelle war schon 3 Monate unbesetzt.

Die "Neue", sie war bereits vor 14 Tagen von Chefarzt Tauris in der "großen Teambesprechung", die immer Montags statt fand, angekündigt worden. Seine Gesichtszüge nahmen hierbei einen heiteren, ja gelassenen Ausdruck an. Er schien überzeugt, eine gute Wahl getroffen zu haben. Und heute im Laufe des Tages sollte es so weit sein. Spätestens, allerspätestens in der Besprechung morgen würde man sehen, wen man sich eingekauft hatte.

Dr.Benny


 
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